Die Tricks des Gehirns oder das Nutellabrot-Atomkraftwerk-Gleichnis
Wer kennt es nicht? Montagmorgen um 7:48 Uhr; Man wollte nur eben noch für eine Minute im Bett liegen bleiben und plötzlich ist es kurz vor acht Uhr. Sich anziehen und Zähne putzen müssen trotz aller Eile sein, also verzichtet man notgedrungen auf ein Frühstück und schnappt sich das halb geschmierte Nutellabrot und rennt los. Eine Brotscheibe mit Nutella wiegt ca. 100gr und enthält knapp 190 Kalorien, was bei einem Tagesbedarf von bis zu 2.500 Kalorien nicht sehr viel ist, obgleich der Bedarf individuell nach Aktivität, Geschlecht und Alter stark variiert. Man mag sich müde und erschöpft fühlen, und die Konzentration wird ebenfalls eher geringfügig gegeben sein, dennoch funktioniert der Körper und vor allem das Gehirn mit nur einem Bruchteil der benötigten Energie aus dem Nutellabrot. Wie schafft das Gehirn es also, so enorm energieeffizient zu sein? Diese und weitere Fragen wurden in der online Unterrichtsstunde mit den Max-Planck-Instituten für Biochemie und biologische Intelligenz diskutiert.
Gemeinsam mit Ina Peters, welche das Schülerlabor MaxLab für Biochemie leitet, sowie David Laubender, einem Doktorand der jüngst entstandenen Max-Planck-Gesellschaft für biologische Intelligenz, konnten die Schülerinnen und Schüler des zweiten Profils unter der Leitung von Herrn Piegsa virtuell an den hochaktuellen Forschungen der MPIs teilnehmen und so faszinierende Einblicke in die heutige Forschung in Hinsicht auf unser Gehirn erhalten. Tatsächlich ist das Gehirn ein so komplexes Organ, dass die Forschung heute noch die grundlegendsten Fragen zu beantworten versucht. Es macht gerade mal 2% der Körpermasse aus, doch verbraucht das Gehirn rund 20% der aufgenommenen Energie und ist Tag und Nacht aktiv. Man kann es sich kaum vorstellen, aber in unseren Köpfen sind rund 86 Milliarden Neuronen tätig, die unentwegt Informationen empfangen, verarbeiten und weiterleiten: Das macht es weitaus leistungsstärker und energieeffizienter als jeden Supercomputer weltweit. Ein einfacher Vergleich von David Laubender hat es den SchülerInnen verbildlicht: Möchte man einer KI (Künstliche Intelligenz) beibringen, Bilder von Katzen und Hunden zu unterscheiden, muss man diese mit Millionen von Informationen, also Bildern, füttern, sodass sie anhand der empirischen Daten den Unterschied lernt. Das menschliche Gehirn hingegen kann aufgrund von gefestigtem Wissen und Lernfähigkeit hochkomplexe Berechnungen ausführen, ohne dieselbe Menge an Energie zu verwenden. Laubender verglich den Energieverbrauch der KI für die Hund-Katze-Unterscheidung mit der Energieproduktion eines Atomkraftwerkes. Das menschliche Gehirn benötigt im Äquivalent für selbst sehr komplexe Berechnungen die Energie eines Nutellabrotes. Daraus ergibt sich eine sehr einfache und doch wichtige Frage: Wie berechnet das Gehirn Daten mit einer solchen Energieeffizienz?
Mit eben jener Frage setzen sich weltweit WissenschaftlerInnen auseinander, denn obgleich mittlerweile recht gut verstanden worden ist, wofür welche Bereiche des Gehirns zuständig ist, so scheint eine genaue Lokalisation schier unmöglich: Die Milliarden Neuronen sind hunderttausendfach vernetzt und das so dicht, dass es bisher kaum möglich war, konkrete Signale nachzuverfolgen. Doch in den letzten Jahren hat sich in der neurologischen Forschung viel getan. Mithilfe von diversen Methoden kann nun immerhin ein abzugrenzender Bereich des Gehirns hervorgehoben werden, zum Beispiel mithilfe von GFP. GFP bezeichnet ein Grün fluoreszierendes Protein, das Gen-spezifisch eingeschleust und mit UV-Licht zum Leuchten gebracht, die Gehirnaktivität unmittelbar aufzeigen kann. Dennoch ist dieser Vorgang nicht sehr eindringtief und zudem ist das energiereiche UV-Licht schädigend für die Zellen. Mittlerweile gibt es auch die 2-Photonen-Mikroskopie, deren Laserimpulse tiefer und weniger schädlich in das Gewebe eindringen können. Doch auch dieser Vorgang konnte die große Frage nach dem „Wie“ nicht beantworten und deshalb forschen WissenschaftlerInnen wie Laubender weiterhin nach noch besseren Methoden, um das Gehirn einerseits in seiner Aktivität und andererseits Konnektivität (also der Dichte an Verbindungen der Neuronen) zu verstehen. Diesen brandneuen Forschungszweig bezeichnet man als Funktionelle Konnektomik. Es mag hochkompliziert klingen, und das ist es auch, aber die beiden referierenden WissenschaftlerInnen hatten die Aufmerksamkeit der gesamten Klasse voll und ganz eingefangen, denn ein solcher Austausch verdeutlicht, dass Biologie, Chemie oder Mathematik keineswegs trockene Zahlen und immergleiche Prozesse sind, wie man es manchmal in der Schule gelehrt bekommt. Es sind Wissenschaften, die aktueller nicht sein könnten, und erst in Gesprächen wie solchen mit hochmodernen Instituten wie der Max-Planck-Gesellschaft wird den SchülerInnen deutlich, welche Perspektiven die MINT-Fächer bieten. Auch wenn man sich erst einmal durch den bisweilen wenig spannenden Schulunterricht kämpfen muss, stehen einem danach alle Türen offen, ganz im Sinne des Namensgebers und Physikers Max Planck:
„Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen“.
Verfasst von Anna J.