KRIEG – Wohin würdest du fliehen?

Krieg – wohin würdest du fliehen?

Die aktuelle politische Lage veranlasste den S2 Theaterkurs des Helmut-Schmidt-Gymnasiums unter Leitung von Hédi Bouden, sich diese Frage zu stellen. Was würde geschehen, wenn die Rollen vertauscht wären? Wenn hier in Deutschland die Demokratie ein Ende gefunden hätte, es in den Nachbarstaaten ähnlich aussähe? Wenn das Morgenland die einzige Zufluchtsmöglichkeit für uns wäre? So beschreibt es ein von Janne Teller entworfenes Szenario.

Die Bühne ist karg. Im Hintergrund ein Bauzaun, im Vordergrund viele Quader, die zur Mauer, zum Keller, zum Boot werden. Menschen, die es nicht mehr aushalten, weil sie politisch verfolgt werden, krank sind, keine Zukunft sehen; die sich auf den Weg machen . „Was würdest du mitnehmen, wenn du nur eine Sache mitnehmen könntest?“ Die Frage bewegt: Ist es das Tagebuch, das mein Leben dokumentiert, oder der Ring, der seit Generationen von den Frauen meiner Familien weitergereicht wird? Wohin sollen wir gehen, wenn uns niemand will? Und was machen wir dort, wenn wir kein arabisch können und immer nur im Büro gearbeitet haben?

Die Schülerinnen und Schüler spielen überzeugend, ein kalter Schauer läuft den Zuschauern über den Rücken. Eine verzweifelte Mutter sucht ihren Sohn, erfolglos; der Sohn einer anderen Familie muss sich in der Flüchtlingsunterkunft zusammenreißen, um nicht in einen Streit involviert zu werden, denn der könnte die Abschiebung der ganzen Familien nach sich ziehen. Die Verzweiflung ist spürbar. Eine Gruppe von Flüchtlingen schwört Rache, als die Benachteiligung zu viel wird. Die Lautstärke steigert sich, und im Publikum fängt ein kleines Kind an zu weinen. Diese Reaktion rührt – und spiegelt das ganze Stück wieder. Den lang anhaltenden Applaus haben sich die Schülerinnen und Schüler verdient.

Krieg Gruppenbild

Weitere Information über das Theaterstück, die Produktion und die Gruppe finden sie auf der Homepage der Theatergruppe.

Das Theaterstück ist der Auftakt für einen Abend, der sich mit dem Thema Krieg befasst. Im Anschluss erfolgt eine Podiumsdiskussion, die vom S4 PGW-Kurs von Frau Ashufta gründlich und durchdacht vorbereitet wurde. Die Schülerinnen und Schüler haben ihre Fragen in drei Blöcke gruppiert: Krieg, Flucht und Integration. Es diskutieren Vertreterinnen und Vertreter der Parteien und andere Teilnehmende, die auf unterschiedliche Art und Weise mit dem Flüchtlingsthema verwoben sind.

Die Diskussion wird von drei Schülerinnen moderiert, die die Diskussion mit Selbstbewusstsein und Schlagfertigkeit moderieren. Nach ihren Sprüchen wissen sich die Politiker nicht selten nicht mehr zu helfen.

Im Block „Krieg“ fragen die Schülerinnen nach Deutschland als Rüstungsexporteur Nr. 5 und nach dem aktuellen Syrienkonflikt. Hier herrschte teilweise Einigkeit unter den Diskutierenden, z.B. dass Waffenlieferungen nicht helfen, die Ursachen von Kriegen zu bekämpfen.

Im Block „Flucht“ dann wird schon kontroverser diskutiert, v.a. als die Vermittlung von Werten genannt wird. Gibt es überhaupt deutsche Werte? Was verbindet uns mit einem Pegida-Anhänger aus Sachsen? Frau Koy (FDP) Frau Celikkol (Bündnis 90/Die Grünen) definieren sehr ähnlich, auch wenn die eine  von gelebter Nächstenliebe und die andere von ehrenamtlicher Hilfe reden. Herr Yildiz (Die Linke) nutzt die Gelegenheit, um die Wertediskussion als Beleidigung der Menschen, die hierher kommen, darzustellen, da diese auch Werte haben, die die Gesellschaft kennenlernen müsste.

Im Block „Integration“ ist man sich wieder einig, dass miteinander statt übereinander geredet und etwas für die soziale Gerechtigkeit getan werden muss, um Ängste abzubauen und einer Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken. Als es jedoch um konkrete Integrationsmaßnahmen geht, von denen Herr Weinreich (SPD) einige aufzählt, die in Hamburg erfolgreich sind, enttäuschen einige Diskussionsteilnehmende. Folglich ereignet sich ein höchst emotionaler Moment: Ein afghanischer Flüchtling fasst seinen Mut zusammen und versucht mit seinem besten Englisch, seine Enttäuschung den Politikern zu vermitteln. Denn er bekommt aufgrund eines Bundesgesetztes keinen Sprachkurs, weil sein Herkunftsland als „sicher“ eingestuft wird. Die Politiker wissen nicht mit dieser emotionalen Lage umzugehen, denn bei der Debatte über Integration und Sprachkurse ging niemand auf das Empfinden der „Ausgegrenzten“ ein.

Ein weiterer Höhepunkt bereitete der Gast Daniel Abdin, Vorsitzender der Al-Nour Moschee und des SCHURA-Rats. Als über das Einleben der muslimischen Flüchtlinge gesprochen wird, macht er seine Meinung ganz deutlich: „Das Grundgesetzt ist meine Scharia.“ Als die Kriminalität, die von Flüchtlingen und dem damit verbundenen Risiko ausgeht, angesprochen wird, erntet Herr Ott (Polizei) mit einer Gegenfrage starken Applaus: „Wir haben in Wilhelmsburg nun zweieinhalbtausend Flüchtlinge, fühlt sich hier irgendwer weniger sicher? Nein.“

Die Schülerinnen schließen den Abend mit einem Zitat von Ernst Ferstl, das beide Seiten der Flüchtlingsfrage betrachtet: „Es gibt zu viele Flüchtlinge, sagen die Menschen. Es gibt zu wenig Menschen, sagen die Flüchtlinge.“

Nada Knani, Ruth Kullmann